Und dann steh ich da, mit einer Tasse Kaffee in der Hand und denke, der Stoff ist so süß, das passt gut zu meinem Töchterchen.
Kurz mal das bereits zugeschnittene und geklebte Schnittmuster des Nachbartisches entliehen und schwups hüpft mir das hier von der Nadel.
Und dann packt mich doch ein wenig der Neid. Könnt ihr euch das vorstellen? Ich stehe da und schaue mir das neue Tunika-Teilchen meiner verwöhnten Tochter an und spüre, wie ich dieses süße Teil anstarre. Einen kurzen Augenblick sehe ich mich mit zwei Zöpfchen und Sommersprossen in dem Garten meiner Eltern. Vor Freude hüpfend in der wunderschönen Tunika, die meine Mutti für mich genäht hat. Keiner hat so eine schöne Tunika wie ich....doch der Knuff in den Oberarm meiner Nähgenossin reisst mich zurück in "The hall of sewing" und fragt mich: "Gibts noch Kaffee?"
"Hä? Kaffee? Ja ja, bestimmt.Und wenn nicht, dann kochste dir halt neuen, oder?" antworte ich mit charmanten Ruhrpott-Dialekt.
Wie in Trance bewege ich mich auf den 1 Meter hohen Stoffberg meiner Wahl zu und suche hektisch nach dem Rest des rosa Traumstöffchens. Irgendwo hier, verdammt nochmal, muss er doch sein. Hoffentlich reicht er noch. Und wenn ich mir daraus nur noch einen Tanga nähen kann, ich muss den Stoff auch für mich vernäht bekommen.
Dann endlich, gefühlte 20 lange Minuten später, erblicke ich den Zipfel des Jerseys meiner heutigen Träume und ziehe. Ich ziehe feste und werfe den Stoffberg um. Doch egal. Das legt den gesuchten Stoff endlich ganz frei.
Nun halte ich einen Fetzen Stoff des rosa Träumchens in meinen wertschöpfenden Händen und strahle über das ganze Gesicht.
"Meint ihr, das reicht noch?", frage ich verträumt in die Runde. "Nun ja," antwortet meine Tischnachbarin,"wenn du ein Zelt mit Vordach nähen willst, wird es knapp. Was hat du mit 2 Metern rosa Stoff denn vor?"
"Was? Vor? Ach so. Ja. Also reicht, ja?. Gut. 2 Meter. Reicht.", puh. Was für ein Glück. Also breite ich die paar hundert Zentimeter vor mir aus und betrachte ihn. Aus dem Hintergrund kreischt es plötzlich: "Bügeln. Du musst ihn vorher bügeln!" Oh, ja doch Anke, denk ich und antworte ihr freundlich: "Ich hasse bügeln." Jetzt grinst mich Anke an. Sie mag es, wenn sie uns quälen kann. Ich bin mir sicher. Also bügeln ich die paar hundert Zentimeter und lege sie danach erneut aus.
Was mach ich nun daraus? Für einen Stringtanga ist es definitiv genug Stoff. Selbst, wenn ich ihn in Größe 48 oder 50 oder größer bräuchte. Bis zum Zelt mit Vordach ginge es vielleicht.
In dem Augenblick wedelt Esther euphorisch mit Ihrer Missy vor meiner Nase rum und verdeutlicht mir, dass sie schon längst weiter ist als ich.
Gut, denke ich mir. Dein Schnittmuster, liebe Esther, ist auch schon ausgeschnitten und geklebt. Dann mach ich doch ne Missy. Zufällig haben wir die gleiche Größe und die Oberweite kommt auch irgendwie hin. Wenn nicht, regele ich das direkt mit Kam-Snaps unterm Pulli. Es gibt immer Wege und Möglichkeiten und nirgendwo wird soviel gefuscht, wie im Handwerk. Also los gehts.
Ich erspare euch den detaillierten Ablauf von Zuschnitt und zusammen nähen meiner Missy, auch mein Blitzen in den Augen, je näher ich dem Endergebnis komme, sowie meinem sabbernden Gesichtsausdruck, als ich Esther in der Entwicklung des Produktes überhole. Volle Gönnung. Ätsch.
Und dann ist sie endlich fertig, meine rosa Missy. Und so sieht sie aus. So sieht meine Missy an einer Esther aus. Ich freu mich schon sehr, wenn ich auf Gr.42 abgespeckt habe und ihn dann auch tragen kann. Und von dem Resterest mache ich vielleicht doch noch einen Tanga. In 34? Sonst wird's knapp. Urig. Kopfkino.
Bis dahin, wünsche ich Euch viel Freude bei euren Nähprojekten und verbleibe mit
Tschüßkes, bis dann, nä?
Stoff: Bio-Jersey Suso Socke rosa/candy Bezug: www.waldstürmer.de SM: Missy von www.alles-fuer-selbermacher.de
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